Vorurteile und Missverständnisse

In Diskussionen auf Kaninchenschauen oder im Internet treten immer wieder einige Missverständnisse zutage, die einen fruchtbaren Meinungsaustausch erschweren. Auf dieser Seite sollen daher einige Vorurteile gerade gerückt und eine gemeinsame Basis für den Austausch von Argumenten gebildet werden. 

Das Tierheim-Argument

„Man soll keine Kaninchen mehr züchten, weil die Tierheime voll sind.”

Zunächst einmal muss unterschieden werden zwischem dem „Züchten” und dem „Vermehren” von Kaninchen. Letzteres bezeichnet die unkontrollierte Nachwuchserzeugung zum Zwecke der späteren Abgabe der Jungtiere. Ein solches Vorgehen ist tatsächlich unnötig, wenn zugleich die Tierheime gefüllt sind.

Das Züchten hingegen beinhaltet die bewusste Auswahl ganz bestimmter Zuchttiere der gleichen Rasse, die miteinander verpaart werden, um die erwünschten Merkmale dieser Rasse beim Nachwuchs besonders vorteilhaft in Erscheinung treten zu lassen. Es geht hier nicht darum, einfach die Anzahl der Kaninchen zu vergrößern, indem man irgendeinen Nachwuchs produziert, sondern es geht um ganz bestimmte Jungtiere mit speziellen Qualitäten.

Ohne diese Form der kontrollierten Zucht gäbe es die Vielzahl der heutigen Haustierrassen nicht. Statt sich an Zwergkaninchen mit langen oder kurzen Haaren oder mit Hängeohren zu erfreuen, könnten wir nur von Ferne scheue Wildkaninchen beobachten. Eine Beendigung des Züchtens würde binnen kurzer Zeit zum Verschwinden unserer Rassevielfalt führen.

Das Tierheim-Argument greift hier also ebenso wenig wie man mit dem Hinweis auf gefüllte Büchereien das Schreiben neuer Bücher ablehnen könnte.

Ohnehin lässt sich ein Zusammenhang zwischen vollen Tierheimen und der Rassekaninchenzucht nicht herstellen, denn gerade Rassekaninchen landen gewöhnlich nicht im Tierheim. Sollte dies nämlich der Fall sein, könnte anhand der Ohrtätowierung, die jedes im Verein gezüchtete Tier aufweist, leicht festgestellt werden, von welchem Züchter dieses Kaninchen ursprünglich stammt und es könnte problemlos wieder in dessen Besitz überführt werden.

Für einen Vereins-Züchter gibt es nur vier Möglichkeiten zum Verbleib seiner Tiere:

  1. Er behält sie selbst, um damit weiter zu züchten.
  2. Er verkauft sie auf Ausstellungen an andere organisierte Züchter.
  3. Er verkauft Tiere, die nicht seinen Anforderungen entsprechen, an Kaninchenhalter.
  4. Wenn er Tiere weder an Züchter noch an Halter verkaufen kann und sie zur Zucht nicht mehr einsetzen möchte, schlachtet er diese. [Anmerkung]

In keinem Fall setzt er aber die Kaninchen aus oder gibt sie in ein Tierheim, vielmehr nimmt er häufig sogar Tiere zurück, die ein Halter von ihm gekauft hat und nun nicht mehr haben möchte.

Der Trächtigkeits-Irrtum

Häsinnen soll man nicht decken lassen, weil sie durch die Geburt krank werden und leiden.

Nachwuchs zu bekommen ist für Kaninchen das Natürlichste der Welt. Der Körper der Häsin ist daher für eine Trächtigkeit und die Geburt vorbereitet, sodass es im Normalfalle nicht zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommt. Nur, wenn eine Häsin bei ihrem ersten Wurf zu jung oder zu alt ist, muss man mit Komplikationen rechnen.

Es gibt also keinen medizinischen Grund, die Trächtigkeit von Häsinnen prinzipiell abzulehnen. Unkontrollierte Vermehrung ist natürlich trotzdem nicht sinnvoll.

Der Profitgier-Vorwurf

Den Züchtern geht es nur ums Geld.

Kaninchenzucht ist ein kostspieliges Hobby, das mehr Geld kostet als es einbringt. Das macht nichts, da andere Freizeitbeschäftigungen schließlich auch Geld kosten. Trotzdem hält sich bei manchen Menschen das Gerücht, Kaninchenzucht sei ein lohnender Nebenerwerb. Diese Zeiten sind aber im Westen schon lange und im Osten seit der Wiedervereinigung vorbei.

Die laufenden Kosten für das Futter und den Unterhalt der Stallanlagen, ganz zu schweigen von der Arbeitszeit, liegen deutlich über den bescheidenen Einnahmen, die man beim Verkauf eines Kaninchens erzielt. Selbst Spitzentiere werden auf Lokal- und Regionalschauen oftmals billiger verkauft als Mischlinge in der Zoohandlung.

Nicht einmal mit der Wolle des Angorakaninchens ließe sich aufgrund der Konkurrenz aus China noch ein Profit erzielen.

Die angebliche Profilierungssucht

Die Züchter interessieren sich nur für Preise und Pokale.

Da das Züchten gegenüber dem bloßen Vermehren zielgerichtet ist, muss es eine Möglichkeit geben, zu überprüfen, wie nahe man dem Zuchtziel gekommen ist. Zu diesem Zwecke werden Kaninchenschauen veranstaltet, auf denen die Tiere nach festgelegten Rassebestimmungen von ausgebildeten Preisrichtern bewertet werden.

Dies erleichtert die Entscheidung, mit welchen Kaninchen man weiterzüchten sollte oder welche man von anderen Zuchtkollegen hinzukaufen könnte. Nur durch die Bewertungen und den Vergleich auf Kaninchenschauen kann der hohe Standard der bestehenden Kaninchenrassen erhalten oder verbessert werden.

Die Verteilung von Pokalen und Preisen ist nur ein zusätzlicher Anreiz, der dem ganzen die Note eines sportlichen Wettstreits gibt und dem Züchter eine symbolische Anerkennung für seine Bemühungen verleiht. Im Mittelpunkt stehen aber nicht die Pokale, deren Sachwert ohnehin recht gering ist, sondern die Tiere, ähnlich wie bei Kegelvereinen auch die Freude am Spiel und nicht an den Preisen domininert.

Von Ausstellung zu Ausstellung

Kaninchen werden ständig auf Ausstellungen gezeigt und befinden sich im Dauerstress.

Die meisten Kaninchenschauen finden am Wochenende statt, wobei die Tiere am Donnerstagabend eingeliefert, am Freitag bewertet und von Samstag bis Sonntag dem Publikum präsentiert werden, bevor man sie am Sonntagabend wieder abholt.
Das Kaninchen sitzt also nur drei Tage lang in den Schaukäfigen. Rechnet man übers Jahr gerechnet die Vereinsschau, eine Jungtierschau und eine überregionale Schau zusammen, so kommt ein Kaninchen auf rund zehn Schautage im Jahr.

Dies ist nicht vergleichbar mit der ständigen Zurschaustellung von Kaninchen in einer Zoohandlung oder im Tierpark.

Können Schauen für die Kaninchen Stress bedeuten?

Ja, genauso wie es für einen Menschen stressig ist, in der Öffentlichkeit zu stehen. Je nach Charakter des Kaninchens wird es die Anwesenheit von fremden Artgenossen und Menschen entweder als willkommene Abwechslung oder als Belästigung empfinden. Man darf nicht den Fehler machen, alle Kaninchen zu verallgemeinern; es gibt von Tier zu Tier große individuelle Unterschiede. Für ein Streichelgehege verwendet man beispielsweise nur solche Kaninchen, die sich als besonders zahm und gutmütig erwiesen haben, ohne allerdings zu duldsam zu sein.

Falls ein Tier nach der Ausstellung erkrankt, so liegt dies nicht an erlittenem Stress, sondern entweder an ungeeigneten Schaulokalitäten, an ungewohnter Ernährung oder an der Ansteckung durch kranke Käfignachbarn. All diese Risiken lassen sich aber durch eine verantwortungsbewusste Schauleitung und die Wachsamkeit des Ausstellers minimieren.

Die artgerechte Haltung

Die Kaninchen werden in engen Drahtkäfigen gehalten

In Fernsehberichten sieht man zuweilen Bilder von Kaninchenmastanlagen, in denen die Tiere in engen Drahtkäfigen zusammengepfercht sind. Aus Unwissenheit wird dieser negative Eindruck auch auf die organisierten Kaninchenzüchter übertragen, obwohl diese nichts damit zu tun haben.

Sieht man dann auf einer Kaninchenausstellung ebenfalls Drahtkäfige, fühlt man sich in seinem falschen Vorurteil noch bestätigt. In den Schaukäfigen sitzt ein Rassekaninchen aber nur 10 Tage im Jahr.

Im Normalfall hält ein Kaninchenzüchter seine Tiere in Holzstallungen, die weitaus geräumiger sind als es die Tierschutzbestimmungen vorschreiben.

Die Kaninchen werden dabei auf Stroh oder auf Rosten gehalten. Hierzu muss man wissen, dass es nicht nur ungeeignete dünne Drahtrosten gibt, sondern auch solche mit breiten flachen Plastikstegen, die vom Kaninchen als angnehme Liegefläche empfunden werden. Oft kombiniert man beide Haltungsformen.

Viele Züchter gewähren ihren Kaninchen auch regelmäßigen Auslauf im Freigehege, wobei hier aufgrund der Tierzahl die Möglichkeiten gegenüber Haltern einzelner Kaninchen aber eingeschränkt sind.

Artgerechte Haltung heißt übrigens nicht naturidentische Haltung, sonst müssten Rassekaninchen in Erdhöhlen untergebracht werden. Ein Kaninchen frei in der Wohnung zu halten, entspricht ebenso wenig dem natürlichen Lebensraum wie die Stallhaltung, dennoch kann beides artgerecht sein.

Das Schlachten

Kaninchen sind niedliche Tiere, die man nicht schlachten darf.

Über das Schlachten kann man geteilter Meinung sein und nicht jeder Züchter praktiziert es. Grundsätzlich abzulehnen ist es aber kaum.

Der Diskussionspunkt kann ohnehin niemals sein, ob man Kaninchen schlachten darf, sondern nur, ob man Tiere überhaupt essen darf oder nicht. Das Recht auf Leben kann man nicht von der Niedlichkeit eines Tieres abhängig machen, und selbst wenn man dies täte, wären auch Kälber und Schweinchen ebenso süß wie Kaninchen. Kritik üben könnten also nur Veganer, die ganz auf Fleisch und Leder verzichten.

Akzeptiert man jedoch den Menschen als einen „Allesfresser”, der sich auch von Fleisch ernähren darf, so gilt dies für jedes Fleisch. Wichtig ist dann nicht, ob man ein Tier töten darf, sondern wie man dem Tier sein Leben so angenehm wie möglich gestaltet. Während etwa Kaninchenmäster ihre Tiere ein kurzes Leben lang in kargen Drahtkäfigen halten, gönnen Kaninchenzüchter ihren Tieren ein Leben, das länger und sicherer als jenes der Wildkaninchen ist und von Zuwendung und Pflege geprägt wird.

Auch ist das Schlachten immer nur die letzte Möglichkeit, wenn ein Tier nicht zur Zucht eingesetzt wird und weder an Zuchtfreunde noch an Kaninchenhalter zu verkaufen ist.

Nicht möglich ist es, nur soviele Kaninchen zu züchten, wie man benötigt, denn die Zucht besteht ja gerade darin, aus großen Würfen die besten Tiere auszuwählen und miteinander zu verpaaren. Würden nur noch ideale Tiere geboren, bedürfte es keiner Zucht mehr, aber das ist eher eine Aufgabe der Gentechnik.

Auch kann man nicht alle unveräußerbaren Kaninchen einfach behalten, da dann kein Platz für die Nachzucht mehr vorhanden wäre.

Der Züchter nimmt sich daher das Recht, die natürliche Auslese durch Krankheit und Raubtiere, die er bei seinen Kaninchen außer Kraft gesetzt hat, in abgemildeter Form wieder einzuführen, indem er selbst eine Auslese betreibt.

Das Qualzucht-Argument

„Manche Rassen sind das Ergebnis unnatürlicher Qualzucht.”

Der Begriff der „Qualzucht” stammt aus der Hundezucht und bezeichnet das Anzüchten körperlicher Merkmale, die für ein Tier der entsprechenden Rasse mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen verbunden sind, wie etwa zu kurze Beine oder ein fehlendes Fell.

Der unaufgeklärte Laie verwendet diesen Begriff gerne gegen Kaninchenrassen, die ihm persönlich nicht gefallen, etwa Kaninchen mit Hängeohren (Widder) oder Riesenkaninchen.

Von wissenschaftlicher Seite wurden aber gerade die Rassen beanstandet, die sich bei einfachen Haltern der größten Beliebtheit erfreuen, nämlich die Zwergkaninchen. Ein zu ausgeprägter Zwergfaktor könnte die Vitalität eines Kaninchens beeinträchtigen. Aus diesem Grunde hat die organisierte Kaninchenzucht ein Mindestgewicht und eine Mindestohrlänge für Farbenzwerge festgelegt, die nicht unterschritten werden dürfen. Auf diese Weise wurde eine zu starke Verzwergung erfolgreich verhindert. Auf Zoohandelskaninchen und private Kreuzungsversuche hat der Zentralverband Deutscher Rasse-Kaninchenzüchter allerdings keinen Einfluss, zumindest in der organisierten Kaninchenzucht wird aber Qualzüchtung vermieden.

Ebenfalls beanstandet wurde in der Vergangenheit eine Extremform des Widderkaninchens, der sogenannte „Englische Widder”. Hier hat man die Höchstlänge der Ohren daher in den Rassebestimmungen reduziert.

Hängeohren an sich sind aber weder beim Widderkaninchen noch beim Dackel ein Zeichen von Qualzucht, sondern Aussehen und Charakter dieser Rassen harmonieren miteinander. Auch der Riesenwuchs bestimmter Rassen gereicht ihnen nicht zum Nachteil.

Trauriger Cartoon-Widder