Englische Schecken – Geschichte und Ausblick
Michael Schlaphof, Kaninchenzüchterverein U 52 Neumünster
Einen Anblick höchster Ästhetik bietet uns eine perfekt gezeichnete Englische Schecke. Eine Augenweide, welche planvolle Zucht voraussetzt und so niemals – auch nicht ausnahmsweise – in den Würfen rasseloser Kaninchenzucht auftritt. Die Ursprünge dieser hübschen Zeichnungsart liegen in den Anfängen der französischen und belgischen Landschläge. Beschreibungen datieren aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Nachfolgend tauchten derart gescheckte Exemplare auch in den englischen und deutschen Populationen auf, vorerst ohne größere Beachtung. Die in Züchterkreisen bis heute gebräuchliche Bezeichnung „englische Scheckung” ist dabei nur ein Synonym und nicht an die Englische Schecke exklusiv vergeben. Weitere teilweise nicht mehr gebräuchliche Bezeichnungen sind: Tigerscheckung, Fleckenmuster, Punktscheckung und weitere mehr. Variationen dieser Scheckung sind die klassische Punktscheckung, die Mantelzeichnung, die Dalmatinerscheckung und weitere. Wegen der charakteristischen Färbung der Schnauzenpartie haben sich Rassebezeichnungen wie Papillon, Butterfly und im deutschsprachigen Raum Schmetterlingskaninchen gebildet und sind z.T. bis heute erhalten. Von andersartig gezeichneten Kaninchen wie Russenkaninchen und Holländern sind Punktschecken eindeutig zu unterscheiden. Eine Sonderstellung nimmt das Weiße Hotot ein, welches eine Kombination aus Platten- und Punktscheckung zeigt.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begannen die englischen Züchter damit, ihre Butterfly-Kaninchen zu veredeln. Um 1890 wurden diese Zuchtprodukte erstmals unter dem Namen „The English” ausgestellt, das Zeichnungsbild und die Körpergröße ähneln unseren heutigen Tschechischen Schecken. Die deutschen Züchter machten schon um das Jahr 1900 herum Bekanntschaft mit den Englischen Schecken, noch vor den später so beliebten Deutschen Riesenschecken, welche erst 1907 anerkannt wurden.
Im ersten Rassestandard, den Julius Lohr 1893 verfasste, war noch keine Punktscheckenrasse enthalten. Doch in der ersten Ausgabe von Paul Starkes „Praktische Kaninchenzucht” aus dem Jahr 1899 erscheint im Anschluss an die Beschreibung der bis dahin neun anerkannten Rassen unter „Diverse” schon die Englische Schecke. In der zweiten Auflage des Klassikers von 1903 sind dann bereits 14 Rassen beschrieben, darunter als 12. die Englische Schecke, immer noch als einzige Punktscheckenrasse. Doch es gibt zwei Ausnahmen:
Das Deutsche Kaninchen ist zu jener Zeit auch als geschecktes Exemplar anerkannt, bei ihm soll die dunkle Farbe überwiegen. In der Ausgabe von 1903 ist ein solches Tier abgebildet, es zeigt die sogenannte Sattelzeichnung. Der Englische Widder wird damals mit wenigen Worten auch in einer gescheckten Variante beschrieben, die wir heute als Mantelzeichnung kennen.
Die Englischen Schecken jener Zeit zeigen oft eine klassische Punktscheckung, wie wir sie in etwa von den Deutschen Riesenschecken und den Tschechischen Schecken kennen, doch noch viele weitere Jahre werden auch deutlich dunklere Typen gezeigt mit zusammenhängenden Flecken bis hin zur Sattel- und Mantelzeichnung.
Im Laufe der Jahre wurden die Forderungen an die Zeichnung immer differenzierter, es entstand das der Englischen Schecke eigene Bild mit Aalstrich, Kette, Seitenzeichnung und natürlich dem Schmetterling. Dieses Zuchtziel wird in Perfektion nur erreicht, wenn fortdauernd ebensolche Tiere miteinander verpaart werden.
Aber zum Leidwesen der Züchter sind in den Würfen die meisten Schecken nicht von so guter Qualität. Doch das ist nur die „halbe Wahrheit”, sämtliche Punktschecken sind nämlich spalterbig, wie auch aus den Erbformeln der drei möglichen Genotypen der Englischen Schecken hervorgeht. Daraus ergibt sich, dass eine Rassebeschreibung der Englischen Schecken nicht seriös ist, wenn allein der heterozygote Ausstellungstyp beschrieben wird. Man könnte im Grunde sagen, es ist keine Rasse, sondern ein Zuchtprodukt, welches von nicht rein vererbenden Elterntieren abstammt.
Die Nachzucht von typischen Schecken spaltet im Verhältnis 1:2:1 auf, das Ergebnis ist:
- 25% reinerbige, homozygote Schecken (echte Schecken, Hellschecken)
Erbformel K/K - 50% spalterbige, heterozygote Schecken (Typschecken)
Erbformel K/k - 25% reinerbige Nichtschecken (einfarbige, vollpigmentierte Tiere)
Erbformelk/k
So verbleiben dem Züchter im beispielhaften Idealfall, dem erfolgreich aufgezogenen Achterwurf, immerhin vier Jungtiere des gewünschten spalterbigen Genotyps. In der Zuchtpraxis wird man dann über zwei fehlerfreie Nachkommen schon froh sein. Eine weitere Besonderheit ist die verminderte Vitalität der Hellschecken, welche auch Weißschecken oder Chaplins genannt werden. Charlie Chaplin war um 1920 der bekannteste Mensch der Welt, sein Markenzeichen ist ein kleines Schnauzbärtchen, ähnlich dem Erkennungszeichen vieler Hellschecken, nämlich ein kleiner Überrest des Schmetterlings.
Zur verminderten Vitalität der Hellschecken gibt es viele, teilweise gegensätzliche Meinungen, doch ist die Rechtslage eindeutig, weil es bereits genügt, dass bei entsprechender Verpaarung solche Individuen erzeugt werden, unabhängig davon, wie viele es sind und wie ausgeprägt die erblich bedingten Symptome auftreten. Darum muss man es einmal deutlich schreiben, und dieser Satz gehört in jede seriöse Rassebeschreibung:
„Die Verpaarung von Punktschecken miteinander ist gesetzlich verboten!”
Um also solche Qualzucht zu vermeiden, werden in der Zucht die einfarbigen Tiere gleichberechtigt im Verhältnis 1:1 eingesetzt. Hieraus ergibt sich in gleichem Verhältnis die Nachzucht, folglich 50% Typschecken und 50% Nichtschecken. Bei fortlaufender nunmehr tierschutzgerechter Zucht hat jedes Tier ein einfarbiges Elternteil und zwei einfarbige Großeltern und so weiter. Dass bei dieser Zuchtweise das in den aktuellen Rassebeschreibungen (Standards) geforderte sehr differenzierte Zeichnungsbild erhalten bleiben kann, ist nicht zu erwarten. Wissenschaftler sprechen hier von „problematischen Zuchtzielen”.
Daraus folgern langjährige Scheckenzüchter, dass betroffene Rassen dann zum Aussterben verurteilt wären, wenn sie (die Züchter) sich an das Gesetz halten. In der Tat gehen die Züchterzahlen dramatisch zurück, doch die naheliegende Alternative, nämlich die Zuchtziele dem Gesetz entsprechend anzupassen, um so die Englischen Schecken zukunftsfähig zu machen, wird nur ansatzweise und widerwillig angenommen. Schon immer haben Kaninchenzüchter neue Herausforderungen begeistert aufgenommen. An veränderte Zeichnungsbilder wird man sich schnell gewöhnen, zumal nebenbei sämtliche nicht zur Ausstellung und Zucht geeignete Tiere sinnvoll aufgezogen werden können. Bei der herkömmlichen Punktscheckenzucht muss ein Teil der Nachkommen erblich bedingt als Verlust gelten, darum haben und hatten solche Rassen trotz hervorragender Fruchtbarkeit in der wirtschaftlich orientierten Kaninchenzucht, Haltung und Mast keine Chance. Noch ist es nicht zu spät, nachhaltig zuchtlenkende Maßnahmen zum Wohle von Tier und Mensch auf den Weg zu bringen. Das Schicksal von zur Bedeutungslosigkeit gewordenen Kaninchenrassen, welche vor wenigen Jahren noch alle Pokale gewannen, sollte uns Mahnung und Ansporn sein. Die gegebene Möglichkeit zur Erhaltung der Englischen Schecken und auch aller anderen Punktscheckenrassen, die sowohl dem Tierschutz als auch der Ökonomie gerecht wird, ist vielmehr Chance als Bedrohung.
Die Bilder sind aus Paul Starkes „Praktische Kaninchenzucht“, 2. Auflage 1903, Seite 87 und 107.