Rassebericht Holländer gelb-weiß

Michael Schlaphof, Boostedt, U 10 Holländerclub Schleswig-Holstein

Dass die Holländerkaninchen zu den ältesten Kaninchenrassen gehören ist ja bestens bekannt. Doch dass die gelb-weiße Variante bereits zu den ersten vier anerkannten Farbschlägen gehört, war zumindest für mich eine Überraschung. Sind sie doch bis heute trotz ihrer Schönheit (vor den Ausstellungsgehegen bleibt immer jemand stehen) eine Seltenheit geblieben.

Bei weiteren Recherchen zur Herkunft und Geschichte der Holländer stieß ich in der Dissertation von Frau Dr. Irene Salaschek („Vom Notstandstier zum Wohlstandstier”) auf ein wunderschönes Gemälde von Jacopo Bassano, welches um 1570 entstand und neben weiteren Haustieren ein gelb-weißes Kaninchen mit der den Holländer eigenen Plattenscheckung zeigt.

Die moderne Kaninchenzucht begann in Europa in den meisten Ländern im Wesentlichen erst nach 1870, mit Ausnahme von England. Bis dahin kannte man hier und da Landschläge, so in Deutschland das kleine „Deutsche Kaninchen“, welches sich vom Wildkaninchen kaum unterschied, doch auch Punktschecken und farbige Exemplare sind dokumentiert. Seltene Exoten waren noch die Seidenhasen, deren großartige Zukunft als Angorakaninchen erst viel später erfolgte.


Als die Begründer der deutschen Zuchten als Soldaten des deutsch-französischen Krieges von 1870/71 als Sieger heimkehrten, brachten sie die imposanten, weil viel größeren Landrassen aus Belgien und Frankreich mit. Beginnend mit dieser ersten Welle wurde bis 1893 ganzen sieben Kaninchenrassen der Rassestatus zuerkannt, doch die Holländer waren noch nicht dabei.

Aber die Zeit war reif, viele günstige Umstände sprachen jetzt für eine erblühende Kaninchenzucht, alte Vorurteile wurden praktisch widerlegt. Auch nicht zu unterschätzen ist der Umstand, dass das für den Kaninchenstallbau beinahe unentbehrliche Drahtgeflecht jetzt industriell gefertigt wurde und überall erhältlich war. (1844 wurde in England die erste Drahtnetzmaschine in Betrieb genommen.)

Nun kam auch die zuchtsportliche Komponente ins Spiel: Englische Widder waren zeitweilig die häufigste Kaninchenrasse in Deutschland, aus den großen belgischen und französischen Rassen wurden wahre Riesen, Farbe und Buntheit kamen hinzu.

Schon Anfang der 1870er Jahre tauchten in der Fachpresse, die dem neuen Steckenpferd auf dem Fuße folgte, unter anderen Berichte über das „Holländische Kaninchen“ auf. In der damals populären „Gartenlaube“, einem illustrierten Familienjournal, schreibt 1874 ein Prof. Dr. Zürn: „… Das Nicard oder holländische Kaninchen. Ein sehr kleines Thier, oft nur ein und ein viertel Pfund schwer. Die Nicardweibchen werden oft als Ammen für die Jungen anderer zarter Racen benutzt.“


Viele weitere historischen Schriften, aber längst nicht alle, bezeichnen die Vorfahren unserer heutigen Holländer als „Brabanter“ oder „Brabander“, was eigentlich auch auf Belgien verweist, und nennen ein Gewicht von 2,5  bis 3 Kilogramm. Andere schreiben „ Brabanter Zwerge“. Als Herkunft werden weiterhin Seeland, Nord- und Südholland, Flandern, niederländische Provinzen, Wallonien und weitere genannt.

Wenig glaubhaft sind Berichte, nach denen zu den Vorfahren der Holländerkaninchen etwa Wildkaninchen, weiße blauäugige Kaninchen oder das Deutsche Kaninchen gehören sollen. Zeitweise wurden in den oben genannten Gebieten auch bewusst Wildkaninchenrammler zur Zucht verwendet, um möglichst viele wildfarbige – weil besser bezahlte – Tiere zu erhalten. Auch wurden viele Wildkaninchen in den Nordseedünen, in denen sie zahlreich vorkamen, erbeutet. Weißen blauäugigen Kaninchen wie dem Sächsischen Hermelin oder den Weißen Wienern, beide Rassen anfangs im Gewichtbereich der Holländer, wurde schon immer eine Verwandtschaft zu den Holländern nachgesagt. Das ist auch nicht widerlegt und gut möglich, doch sind diese  Rassen eben nicht durch Verdrängung des beim Holländer vorhandenen Pigmentes entstanden, wie auch schon Prof. Dr. Nachtsheim um 1930 feststellte. Das Deutsche Kaninchen war dem frühen Holländer wohl etwas ähnlich und kam auch in gescheckten Exemplaren vor, doch eine Plattenscheckung ist nicht dokumentiert.

In Großbritannien war die Kaninchensportzucht um 1870 schon weiter fortgeschritten. Über Jahrhunderte hinweg wurden Millionen von Kaninchen, lebend oder geschlachtet, teils die Rohfelle im Tausch gegen edle Pelze, über die Häfen in Antwerpen und Ostende nach London verschifft. Kaninchenfleisch war billig, ein „Arme-Leute-Essen“. Es kam in vielen Familien jeden Sonntag auf den Tisch. Das Wildkaninchen war in Großbritannien auf den Weideflächen eine Plage. Es bedrohte viele Farmer existentiell und wurde mit allen erdenklichen Mitteln bekämpft. So waren die Briten deren Fleisch längst gewöhnt, als seine Eignung als Nutztier wiederentdeckt wurde. (Sämtliche Wildkaninchen diesseits der Alpen stammen von verwilderten Kaninchen ab, die seit dem Mittelalter in Klosteranlagen und an Fürstenhöfen gehalten wurden. Deren Ahnen wiederum stammen aus dem heutigen Spanien und Portugal, wo sie als Wildkaninchen endemisch vorkamen.)

Aus dem reichen Angebot importierter lebender Kaninchen bedienten sich die fleißigen englischen Züchter gezielt und formten aus ihnen seit den 1830er Jahren die „Dutch Rabbits“. 1870 wurden sie zum ersten Mal unter diesem Namen zur Schau gestellt. Noch einmal zwölf Jahre später erfolgte der erste Export nach Deutschland (1882).

In Chemnitz wurden dann 1891 erstmals Holländerkaninchen ausgestellt. Ebenfalls in Sachsen wurde 1897 ein Spezialclub für Holländer gegründet. Paul Starke, der Verfasser der ungemein populären „Praktische Kaninchenzucht“ und Vereinsgenosse von Kaninchenzuchtpionier Julius Lohr, erwähnt dann auch in der ersten Ausgabe seines Werkes von 1899 das Holländerkaninchen, welches „erst im Laufe der letzten Jahre bekannt wurde“.


Allgemein ging es mit der Kaninchenzucht steil bergauf. Oft wurde das Holländerkaninchen als Vereinslogo gewählt und zierte Stempel, Kataloge, Buchtitel und Werbematerial.

Einen Dämpfer erhielt unsere schöne Lieblingsrasse, als 1926 die sogenannten Wirtschaftrassen bevorzugt wurden, 1932/33 wurden die Maßnahmen noch verschärft. Wirtschaftsrassen mussten unbedingt ein vermarktungsfähiges Fell aufweisen, damit kann das bunte Tier bei allen anderen Vorzügen nicht dienen. Noch heute ist gelegentlich von Wirtschaftsrassen oder „im Wirtschaftstyp stehend“ die Rede. Doch einer objektiven Überprüfung halten solche Begriffe längst nicht mehr stand. Das Holländerkaninchen ist allen anderen Rassekaninchen in Sachen Wirtschaftlichkeit mindestens gleichwertig. 

Eine echte Herausforderung für die Züchterin bzw. den Züchter ist die Erhaltung der hübschen Zeichnung. Zwar sind die plattengescheckten Holländer reinerbig, im Gegensatz zu den Punktschecken, doch tritt die Zeichnung sehr variabel in Erscheinung. Wenn in den Würfen zwei oder drei Jungtiere die gewünschte Zeichnung aufweisen, kann man schon froh sein. 


Der Herauszüchter der Mecklenburger Schecken, die eine Variante der Punktscheckung zeigen, die der Holländerscheckung ähnelt, erreichte das Zuchtziel durch einen ungeheuren Aufwand. Bis zu 80 Häsinnen wurden gleichzeitig zur Zucht eingesetzt. Der Durchbruch gelang erst mit Hilfe eines auf abenteuerliche Weise in die DDR gelangten mantelgescheckten Großwidderrammlers. Als ich ihn einmal fragte, warum er (der in seiner Kindheit Holländer gezüchtet hatte) denn nicht die reinerbigen Holländer als Zuchtbasis verwendet hatte, antwortete er, das wäre theoretisch auch möglich gewesen, er wollte aber den Erfolg der Anerkennung noch erleben. Eine erstaunliche Antwort, doch der begnadete Tierzüchter Rudolf Wulf wusste genau um die noch viel größeren Schwierigkeiten, die gewünschte Zeichnung auf ein großes Format zu übertragen. 

Seit der Aufnahme in den deutschen Standard hat sich das Holländerkaninchen nur wenig verändert; wie einige anderen Rassen auch, wurde es etwas kompakter, kräftiger. Von zierlichen Läufen ist nicht mehr die Rede. Die gelb-weißen Holländer sind in der Färbung nicht alle einheitlich, was auch zulässig ist, doch überwiegen die schönen kräftig gelben mit weißer Blumenunterseite. 

Unsere bunten Holländer sind robuste, genügsame und auch schon immer zuverlässige Zuchttiere. Wer diese Tugenden schätzt und dazu den eigentlichen Nutzen der Kaninchenzucht, nämlich die Fleischerzeugung, ist mit den Holländern gut bedient. Das eine oder andere perfekte Tier, mit etwas Glück auch ein, zwei Zuchtgruppen für die Ausstellung, sind dann die Sahnehaube, wenn man mit mindestens drei – besser mehr – Häsinnen und einem guten Rammler aus einer Linie das Abenteuer Holländerzucht startet.